Antifa Ost-Komplex: Prozessbericht vom 3. Prozesstag vom 01.12.2025 (DD)
Bericht über den 3. Prozesstag im Antifa-Ost-Komplex am 01.12.2025 in Dresden, vor dem OLG
Die Verhandlung begann mit einer leichten Verzögerung um 9.40 Uhr. Als die Angeklagten eintraten, wurden sie mit Applaus von solidarischen Besucher*innen begrüßt.
Im Unterschied zu den ersten Tagen war die Nebenklage nicht anwesend.
Zu Beginn wurden zwei Beschlüsse verkündet. Zwei Angeklagte hatten Antrag auf Einstellung des Verfahrens und Einstellung der Mitgliedschaft in der kriminellen Vereinigung gestellt. Diese wurden abgelehnt und es wurde auf die Schwere und den Umfang der vorgeworfenen Taten verwiesen, auf die bundesweite Relevanz der kriminellen Vereinigung und den Akt der vermeintlichen Selbstjustiz.
Nachdem in den ersten Prozesstagen bemängelt worden war, dass die Akten nicht komplett der Verteidigung bzw. den Angeklagten zur Verfügung stünden, erklärte der vorsitzende Richter, dass auf dem USB-Stick, den er dann stolz präsentierte, alle Akten drauf seien und diese 1:1 mit der Papierakte übereinstimmten. Der USB-Stick wurde dann einem der Anwält*innen übergeben.
Es folgte die Mitteilung einer Verhandlungspause wegen Ferien und Krankheit für den 10., 11., 12. und 24. bis 25. Februar. Weitere Ferien würden dann noch zu einem späteren Zeitpunkt kommuniziert.
Es fing dann die Beweisaufnahme in dem sogenannten Wurzen-Tatkomplex an.
Der erste Zeuge ist Hartmann.
Hartmann ist Polizist und war für die Auswertung von 5 digitalen Fotoaufnahmen zuständig.
In seinem Zeugenbericht erzählt Hartmann, dass er für die Auswertung einer SD-Karte zuständig gewesen sei und die 15 darauf gefundenen Bilder. Am Ende seien es nur 5 Bilder, die in unterschiedlichen Formaten gespeichert worden waren. Die SD-Karte sei eine handelsübliche SD-Karte gewesen.
Die Auswertung erbrachte folgende Feststellungen:
Die Fotos seien aus der Frontscheibe eines Autos in Bewegung von der Beifahrerposition aus geknipst worden. Auf den Fotos seien eine Landstraße zu sehen, ein Fahrradfahrer auf einer kleineren Straße und der Parkplatz einer Sportanlage.
Laut den analysierten Metadaten durch das X-Rays-Auswertungstool wurde festgestellt, dass es sich um 5 zeitlich aufeinanderfolgende Aufnahmen handle und das Modell der benutzten Kamera (Panasonic) sei – dasselbe Modell soll auch für Urlaubsfotos von einer der Angeklagten benutzt worden sein.
Auf einem der Bilder sei ein Straßenschild zu sehen. Anhand dessen bemühte sich Hartmann, die Bilder mit Hilfe von Google Maps und Bing zu verorten. Nach seinen Erkenntnissen seien die Fotos auf der Strecke von Leipzig nach Wurzen entstanden. Das Auto, aus dem die Fotos gemacht wurden, sei ein Ford Transit Tourneo Connect, das sei an dem Armaturenbrett zu erkennen und an den Drähten der Frontscheibenheizung – ein alleinstellendes Merkmal der Marke, des Typs und der Baureihe.
Daraufhin machte er eine Recherche über mögliche Straftaten, die in Wurzen/Kühren passiert seien, und fand für sich, dass die Körperverletzung gegen Cedric Scholz wegen Ort und Zeit zutreffend sei.
Es erfolgten dann Recherchen zu den Trainingszeiten des Fußballvereins, Nachforschungen nach Blitzer-Fotos (ergebnislos). Der Fahrradfahrer wurde dann auch als Scholzs Sportkamerad Döring identifiziert.
Es werden dann die Bilder gezeigt und Hartmann zeigt, was er davor nur in Worten beschrieben hat. Bei der Sichtung von dem Bild, auf dem angeblich die Frontscheibenheizung zu sehen sei, wird maximal reingezoomt in das Bild, aber niemand kann Drähte sehen. Es wird auch bei einem zweiten Bild versucht, aber auch erfolglos. „Die sind hier wirklich nicht zu sehen“, gibt Hartmann zu und appelliert, dass es ja auch an dem Bildschirm und den Einstellungen liegen kann.
Während seines Berichts erzählt Hartmann, dass er in der Zeit, in der er die Bilder ausgewertet hat, an einer Fortbildung teilgenommen hat. Es ginge um Angriffe auf „rechts-gesehene“ Personen in dem Nahbereich.
Nach einer Pause fängt die Befragung seitens der Verteidigung an. Anhand der Fragen wird klar, dass Hartmann das Asservat nie physisch in der Hand hatte, sondern ihm nur „die von der IT extrahierten Daten gegeben“ wurden.
– Haben sie festgestellt, dass sich die Bilder wirklich auf der SD-Karte befinden?
– Nein.
Wer ihm diesen Auftrag gegeben hat, das könne er nicht mehr sagen, genau wie, ob der Auftrag zur Auswertung schriftlich oder mündlich erfolgt sei. Zwar habe seine Recherche mit Maps und Bing einen Hinweis auf den Ort gegeben und seine Kenntnis über die Straftat gegen Scholz habe ihn zu dem Ort geführt, aber ob auch andere Orte überhaupt abgeglichen worden seien oder in Frage gekommen seien, das wisse Hartmann nicht mehr. Von den PKWs, die mehrmals in den Fotos auftauchen, wurde auch nur ein Halter ermittelt, die anderen nicht. Ob er wüsste, dass auf dem Foto ein LKW von einem Recyclinghof sei, und ob er nach Diebstählen von Verwertungsmaterial gesucht hätte? Das hätte er nicht gemacht. Nach welchen Parametern hätte er die Suche nach Straftaten gemacht? Ob auch Sachbeschädigung inbegriffen war? Die Parameter seien von ihm eingestellt und nirgendwo niedergeschrieben und welche es gewesen seien – das weiß er nicht mehr. Hätte er noch in andere Richtungen ermittelt als die Körperverletzung an Cedric Scholz? Auf die Frage kann Hartmann schlecht antworten und wiederholt mehrmals, dass er die KV passend fand und deshalb nur in die Richtung ermittelt hat. Als er befragt wird, ob eine Ermittlungsrichtung vorgegeben wurde in Bezug auf Scholz und wie er auf Scholz überhaupt kam, beruft sich Hartmann auf seine Aussagegenehmigung (innerdienstliche Überlegungen) – eine der Richterinnen muss ihn dabei korrigieren, da er sich auf den falschen Punkt der Genehmigung beruft.
Es wird dann länger diskutiert, was Hartmann aussagen darf und was nicht. Es folgen mehrere Fragen zu der Aussagegenehmigung, aus denen resultiert, dass Hartmann nicht sagen kann, wer genau sie ihm ausgestellt hat.
Er behauptet weiterhin, dass ihm keine Ermittlungsrichtung gegeben wurde, sondern dass das Fazit im Bericht, dass die Fotos eine „Ausspähfahrt“ seien, auf seiner eigenen Wahrnehmung basiere.
Ob ihm Schriftstücke (Zeugenvernehmung, Strafverfahren, Kranschriften) vorlagen während der Auswertung? Keine. Wann ihm welche Zeugenberichte (Scholz, Döring) zur Verfügung gestellt wurden, wisse er nicht mehr.
– Ist Ihnen Herr Baum bekannt?
– Ja
– Haben Sie mit Herrn Baum oder mit anderen Kollegen sich über ihre Erkenntnisse ausgetauscht?
– Ja
– Wie verlief das?
– Ob ich inhaltliche Korrekturen machen sollte, das war mündlich/schriftlich… weiß ich nicht mehr.
Die Runde wird damit beendet, dass Hartman gefragt wird, ob er den Durchsuchungsbeschluss der Hausdurchsuchung, in dem die SD-Karte beschlagnahmt wurde, gelesen hätte. Nach der Auflistung des Durchsuchungsbeschlusses hätte die SD-Karte nicht beschlagnahmt werden sollen.
Die Verteidigung widerspricht der Verwertung des Asservats (wg. Durchsuchungsbeschluss) und der Beweisaufnahme in ihrer Gänze (wg. möglicherweise fehlerhafter Aussagegenehmigung).
Pause
Es erfolgt die Anhörung von Herrn T., dem ehemaligen Arbeitgeber einer der Angeklagten.
Die Firma von T. hat sich 2018–2019 um die Reinigung und Pflege von mehreren Gebäuden in Leipzig gekümmert. Das Firmenauto war ein Ford Transit Tourneo Connect. T. berichtet von den Arbeitsverhältnissen, in denen er seine Mitarbeiter:innen als Aushilfen oder Stammaushilfen bezeichnet, und dass die alle ganz gut bei ihm verdient hätten: 11,80 €/Stunde. Das Firmenauto durften mehrere Mitarbeiter:innen auch privat nutzen und es musste nicht jeden Abend vor dem Büro abgestellt werden. T. werden die Fotos von dem Armaturenbrett und der Frontscheibe gezeigt: Er erkennt (als einziger im Raum die Drähte der Frontscheibenheizung), also es handle sich um einen Ford, aus dem die Fotos gemacht wurden, aber das Auto sei zu sauber, um das der Firma zu sein.
Die Sitzung endet um 16.35 Uhr.
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