Gewalt, ein Einblick in die Theorie

Was ist Gewalt?

Allg.:  „G. bezeichnet den Einsatz von physischem oder psychischem Zwan gegenüber Menschen sowie die physische Einwirkung auf Tiere oder Sachen.“
Soziolog.: „G. bedeutet den Einsatz physischer oder psychischer Mittel, um einer anderen Person gegen ihren Willen a) Schaden zuzufügen, b) sie dem eigenen Willen zu unterwerfen (sie zu beherrschen) oder c) der solchermaßen ausgeübten G. Durch Gegen-G. zu begegnen.“
https://www.bpb.de/kurz-knapp/lexika/politiklexikon/17566/gewalt/


Wo fängt Gewalt an?

„Gewalt liegt immer dann vor, wenn Menschen gezielt oder fahrlässig physisch oder psychisch geschädigt werden. Gewalt ist ein Moment von Macht: Es wird Zwang eingesetzt, um den eigenen Willen gegen den Willen eines anderen Menschen durchzusetzen. Dies kann sowohl ein Einzel- als auch ein Gruppenwille sein, mit dem ein bestimmtes Ziel verfolgt wird. Dabei entsteht ein Ungleichgewicht in der Beziehung zwischen dem Akteur/der Akteurin und dem Opfer, das keine Möglichkeit hat, die Zwangsanwendung zu verhindern. Gewalt liegt aber auch dann vor, wenn mutwillig Dinge beschädigt werden (Vandalismus).“
https://www.gggfon.ch/gewalt/


 

Besonderheiten von Gewalt bei Flintas mit Behinderung?

„Mädchen und Frauen mit Behinderung erleben je nach Gewaltform zwei bis dreimal häufiger Gewalt als der Bevölkerungsdurchschnitt. Fast die Hälfte hat sexuelle Gewalt in Kindheit, Jugend oder im Erwachsenenalter erlebt. Sie erfahren fast doppelt so häufig körperliche Gewalt wie Frauen ohne Behinderungen und etwa 70 Prozent bis 90 Prozent der Frauen mit Behinderungen haben bereits psychische Gewalt im Erwachsenenleben erfahren.“
https://www.bmbfsfj.bund.de/bmbfsfj/themen/gleichstellung/frauen-vor-gew...


Was ist Mobbing (als eine strukturelle Form der Gewalt)?

„Mobbing ist fortgesetzte Gewalt einer Person oder Gruppe gegenüber einer anderen Person. Hinter Mobbing steckt eine Dynamik, die auf Macht und Kontrolle in größeren Gruppen abzielt. Normalerweise gibt es einen oder wenige Angreiferinnen oder Angreifer - und eine größere Zahl Unbeteiligter, die nicht eingreifen, aber stillschweigend dazu beitragen.
[…]
Mobbing gibt es in vielen gesellschaftlichen Bereichen. Am weitesten verbreitet ist Mobbing am Arbeitsplatz. Ein relativ neues Phänomen ist das sogenannte Cybermobbing. Betroffene werden dabei in Chatrooms, Foren und sozialen Netzwerken oder über Mitteilungsdienste diffamiert, belästigt, bedrängt oder genötigt.“
https://www.bmbfsfj.bund.de/bmbfsfj/themen/gleichstellung/frauen-vor-gew...


Was ist Antisemitismus (als eine strukturelle Form der Gewalt)?

„Antisemitismus – der Begriff legt nahe, dass er bedeutet, gegen Juden zu sein: Judenfeindschaft, Judenhass. Dabei hat Antisemitismus mit realen jüdischen Menschen nichts zu tun, er entsteht unabhängig von ihrem tatsächlichen Verhalten.“

„Nach der Definition der International Holocaust Remembrance Alliance ist Antisemitismus "eine bestimmte Wahrnehmung von Juden (…)". […] Wenn Juden als Gruppe Eigenschaften zugeschrieben werden, die über ihr faktisches Jüdischsein hinausgehen, ist das antisemitisch. Das gilt auch für positive Attribute, wenn etwa behauptet wird, Juden seien besonders klug, oder für das jahrhundertealte Klischee der "schönen Jüdin". Solche philosemitisch genannten Verallgemeinerungen sind ebenfalls eine Form von Antisemitismus.“

„Das Besondere am Antisemitismus ist, dass er sein Feindbild nicht nur wie im Rassismus oder in der Xenophobie als unterlegen oder minderwertig konstruiert, sondern auch als übermächtig und überzivilisiert.“
https://www.antisemitismusbeauftragter.de/Webs/BAS/DE/bekaempfung-antise...

Beispiele:
jüdische Menschen seien besonders …
- rachsüchtig/böshaft
- machtgierig/übermächtig
- gierig/reich
- pädophil (als Ableitung der Ritualmordlegende)



Hintergründe:


https://www.rosalux.de/news/id/53535/was-ist-eigentlich-faschismus (17.11.2025; 22:36)

Der Faschismus ist eine politische Ideologie und ein Herrschaftssystem, das gegen Demokratie und Sozialismus errichtet wurde. […]

Typische Merkmale faschistischer Bewegungen waren extremer Nationalismus, Führerkult, die Vorstellung einer überlegenen («rassischen» oder völkischen) Gemeinschaft, Ablehnung von Demokratie und Kommunismus, eine militärisch organisierte Massenpartei, die Verherrlichung von Gewalt und soldatischer Männlichkeit und besonders bei den deutschen Nazis fanatischer Antisemitismus.

[…] Insbesondere die Nazis gleichschalteten die Gesellschaft und verschmolzen Staat und Partei zu einem totalitären Repressionsapparat. Um Europa zu unterwerfen und sich «Lebensraum» zu erobern, entfesselten sie den Zweiten Weltkrieg und setzten mit dem Holocaust, dem Mord an sechs Millionen Jüd*innen, ihren Vernichtungsantisemitismus in die Tat um.

Nach dem Sieg der Alliierten über die Nazis und ihre Verbündeten stellte sich die Frage, ob der Faschismus wiederkehren könne und wie ein Antifaschismus sich praktisch und theoretisch ausrüsten muss, um das zu verhindern. […]

«Es ist geschehen, und folglich kann es wieder geschehen», mahnte der Auschwitz-Überlebende Primo Levi. Das antifaschistische Gebot bleibt, faschistische Tendenzen zu erkennen und ihnen wirksam entgegen zu treten. Die Debatte um die «Brandmauer» nach dem gemeinsamen Bundestagsbeschluss von CDU, FDP und AfD im Januar zeigt die Aktualität dieser Sorge: Dass bürgerliche Parteien wie in der Vergangenheit Faschist*innen normalisieren und ihnen erneut an die Macht verhelfen könnten.


(Kai Ambos in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 2. Oktober 2014, Seite 11, unter dem Titel Wer ist ein Terrorist?)

„Terroristische Handlungen sind nach der Resolution 1566 des UN-Sicherheitsrates solche, die mit der Tötung, schwerer Körperverletzung, zur Geiselnahme oder schwerem wirtschaftlichem Schaden und dem Zweck begangen werden, einen Zustand des Schreckens hervorzurufen, eine Bevölkerung einzuschüchtern oder eine Regierung zu nötigen, und dabei von den relevanten Terrorismusabkommen erfasst werden“


https://berlinergazette.de/de/die-grenzen-der-volksgemeinschaft-anti-sem... (17.11.2025; 22:25):

Wie wird dann die Pädophilie im Kontext des Nationalsozialismus (NS) konstruiert?

Forschung zu Pädophilie als sexualwissenschaftliches Phänomen passiert im NS nur noch sehr wenig, außerdem setzte sich im NS der Begriff „Kinderschänder“ weitgehend durch. Eine spezielle nationalsozialistische Prägung erhielt dieser „Kinderschänder“-Diskurs nicht nur durch seine antisemitische Aufladung, sondern auch durch die enge Verknüpfung mit dem nationalsozialistischen „Kampf gegen das Verbrechen“. Dort wurden Verbrechen, darunter auch Sittlichkeitsverbrechen, nicht primär als Angriffe auf Individuen betrachtet, sondern als Attacken auf die gesamte sogenannte „Volksgemeinschaft“. Der Volksgemeinschaftsdiskurs schuf mit seinem Versprechen vom reinen, gesunden, homogenen, nicht „entarteten“, nicht verbrecherischen, „arischen“ Volk für die zu „Volksgenossen“ rassifizierte und subjektivierte Bevölkerung Selbstermächtigungsnarrative und „Ermöglichungsräume der Gewalt“ (Detlef Peukert) und verpflichtete zugleich zum Schutz eben jener Gemeinschaft. Und in dieser Dynamik wurde dann auch der Kinderschänderdiskurs dehumanisierend und gewaltermöglichend instrumentalisiert.

Diese Instrumentalisierungen speisen sich einerseits aus den geschlechtlich-sexualisierten Motiven antisemitischer Zuschreibungen, die ein deutliches Echo älterer Ritualmordlegenden darstellen. Andererseits werden sie durch das Phantasma der besonderen Gefährdung der Jugend durch vermeintliche homosexuelle „Verführung“ oder allgemeine „Frühsexualisierung“ befördert.

So wurden verschiedene Iterationen des Kinderschänderdiskurses genutzt, um jüdisch und/oder homosexuell Klassifizierte als besondere Bedrohung zu markieren, sie zu entmenschlichen und letztlich Gewalt gegen sie möglich zu machen. Am deutlichsten geschah das im Propagandablatt „Der Stürmer“, wo die antisemitischen Sexualbilder in immer ausgefeilteren Verschwörungsnarrativen mündeten und Texte häufig mit expliziten Gewaltrechtfertigungen, ex- und impliziten Aufrufen zur Gewaltanwendung versehen waren und teilweise sogar die vollen Namen der Anzugreifenden mitlieferten. Vermeintliche und tatsächliche sexualisierte Gewalt gegen Kinder war für die Nationalsozialist*innen also primär dann von Interesse, wenn sie im Sinne der imaginierten „Volksgemeinschaft“ instrumentalisiert werden konnte.

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